Dirk Gratzel: Auf dem Weg zur „grünen Null“

„Greenzero“ ist mein Vorhaben, die Ökobilanz meines Lebens zu einer „grünen Null“ zu machen. Ich bin also dabei, alle Umwelt- und Klimaschäden, die ich als „moderner Mensch“ verursacht habe und noch verursache, bis zum Ende meines Lebens auszugleichen.

HeimatERBE

Die „grüne Null“ erreichen – nur: Wie? Wie sieht das Leben damit aus? 16 Grad Raumtemperatur im Winter? Nur noch Knäckebrot aus nachhaltiger Produktion? Selbstkasteiung und Besserwisserei, bis meine Freunde die Straßenseite wechseln, wenn sie mich kommen sehen?

 

Keineswegs. Erstaunlicherweise ist mein Leben und das meiner Familie mit diesem Vorhaben reicher geworden – an Wissen, Zufriedenheit, erfüllenden Begegnungen und Sinngefühl. Und, mich selbst überraschend, auch an wertschöpfenden, unternehmerischen Projekten. Reicher an dem Wesentlichem.

 

Ich arbeite mit Wissenschaftlern, Umweltorganisationen und Unternehmen zusammen, um fundiert Maßnahmen zur Verbesserung meines Lebensstils und zur Kompensation zu entwickeln. Unsere Erfahrungen dabei berühren wesentliche Fragen der Zukunft: Wie schaffen wir ökologischen Ausgleich? Wie beseitigen wir schon eingetretene Schäden, etwa beim Klima, beim Wasser oder auch bei der Zerstörung biologischer Vielfalt?

Meine Ökobilanz

WAS IST DIE ÖKOBILANZ EINES MENSCHEN? Als ich diese Frage zum ersten Mal stellte, gab es darauf noch keine Antwort. Die Ökobilanz eines Menschen war noch nie ermittelt worden. Also bat ich Forscher und Experten, nämlich die Technische Universität Berlin, den Naturschutzbund Deutschland (NABU) und den WWF, um Hilfe. Gemeinsam entwickelten wir wissenschaftliche Kriterien, Berechnungsmodelle und Messmethoden.

 

In den nachfolgenden Monaten sammelte ich minutiös Daten – über alles, was ich je besessen und konsumiert hatte, sowie über meinen Lebensstil. In dieser Zeit schaute ich wie durch Exceltabellen auf meine Welt – und meine Frau mit einem großen Fragezeichen auf mich.

 

Die Ökobilanz eines Menschen ist nun etwas komplexer als die eines technischen Produktes, denn ein Mensch nutzt tausende von Dingen: Wohnungen und Häuser, Autos, Nahrungsmittel, Kleidung und zahllose Konsumartikel. Alles davon hat eine eigene Ökobilanz.

Stark vereinfacht könnte man dabei sagen: Ökobilanz = Ressourcenverbrauch + Emissionen

Meine bisherige Ökobilanz war sehr „üppig“. Kein Wunder: Ich bin viel gereist und habe viel gekauft. Ich war sozusagen ein Vorbild einer Konsumgesellschaft – und mit viel Kauflust bei der Sache.

 

Im Vergleich habe ich viel Energie verbraucht und dabei mehr als doppelt so viel CO2 emittiert wie der deutsche Durchschnittsbürger.

Um die nötigen Werte für meine persönliche Ökobilanz zu ermitteln, musste ich akribisch Auskunft über mein bisheriges Konsumverhalten und meine aktuellen Lebensumstände geben. Zudem inventarisierte ich meinen materiellen Besitz vollständig (also jedes einzelne Ding in unserem Haushalt).

 

Dazu gab es etliche Fragen zu beantworten:

– Welche Autos und Motorräder hatte ich in meinem bisherigen Leben gefahren? Wie viele Kilometer? Wie oft war ich geflogen, und wohin?

 

– Welche Kleidung hatte ich getragen? Aus welchen Materialien, wie lange und wie schnell was nachgekauft?

 

– Was hatte ich in all den Jahren gegessen und getrunken? Bio oder konventionell? Kaffee, Tee, Wein? Wie hoch war der Fleischanteil, wie hoch der Anteil an Milchprodukten und Exotischem?

 

– Welche Wasch- und Reinigungsmittel hatte ich benutzt, welche Shampoos und Zahncremes

 

– Welche Elektrogeräte hatte ich gekauft, wie häufig hatte ich sie benutzt und mit welcher Art von Strom?

 

– Wie groß waren meine Wohnungen gewesen, wie gut gedämmt und wie stark beheizt?

 

– Wohin war ich in Urlaub gereist? Wie (Auto, Flugzeug, Schiff)? Wie lange?

Die Ergebnisse meiner Ökobilanz

Meine Angaben wurden detailliert aufgeschlüsselt nach den einzelnen Umwelteinflüssen (Wirkungskategorien). Nachfolgend ein paar wesentliche Auszüge aus meiner bisherigen Lebens-Ökobilanz (Stichtag Sommer 2017):

FAZIT: UMWELTFREUNDLICHER LEBEN GENÜGT NICHT

Solcherlei grafische Auswertungen wurden zu Dutzenden erstellt. Sie alle belegen eines: Meine bisherige Ökobilanz war und ist ein ökologisches Debakel. Es gibt also viel zu tun – so viel, dass eine naturfreundliche Lebensweise allein niemals ausreichen wird, eine grüne Null zu erreichen. Daher ging ich nicht nur daran, meine laufende Ökobilanz zu verbessern, sondern startete zusätzlich mehrere Ausgleichsprojekte, um meine bisherigen Wirkungen wiedergutzumachen.

Weiterführende Informationen:

Verbesserung der Ökobilanz

Die Ergebnisse meiner Ökobilanz berührten mich sehr. Sie waren tiefrot – und spornten mich an, nun zweierlei mit aller Vehemenz anzugehen:

 

1. Die Verbesserung meines Lebensstils unter ökologischen Gesichtspunkten und

 

2. die aktive Wiedergutmachung der von mir verursachten Schäden auf möglichst breiter Front.

Um sinnvoll und strukturiert vorzugehen, erarbeitete ich mit dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) und dem WWF zunächst eine Liste mit über 50 ökologischen Verbesserungsmaßnahmen für meinen Alltag. Bis auf eine – den Verzicht auf Kaffee – habe ich alle umgesetzt und dann von den Wissenschaftlern der TU Berlin um Prof. Matthias Finkbeiner überprüfen lassen, welchen Effekt sie auf meinen aktuellen ökologischen Fußabdruck haben.

Verbesserungen insgesamt

In allen Wirkungskategorien der Ökobilanz zeigen die Maßnahmen messbare und teils erhebliche Verbesserungen. Zum Beispiel habe ich innerhalb eines Jahres meine CO2-Bilanz insgesamt um über 70% gesenkt. War sie vorher mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt hierzulande, so liegt sie heute deutlich darunter, obwohl ich immer noch viel unterwegs bin.

BEISPIELE FÜR EMPFEHLUNGEN DES NABU UND MEINE ERFAHRUNGEN UND ERFOLGE DAMIT

1. Empfehlung: Verzicht auf Flugreisen und Vermeidung des PKW

Meine Erfahrungen:

Der Umstieg von Auto und Flugzeug auf die Bahn macht reisen entspannter – wenn die Züge der Deutschen Bahn denn fahren (was sie gelegentlich auch tun). Die Bahn hat mich (oft unfreiwillig) entschleunigt – und meinen Fußabdruck rasant verkleinert.

Ergebnisse:

2. Empfehlung: Energetische Modernisierung des Hauses

Meine Erfahrungen:

Eine teure Angelegenheit – doch sie wirkt über Generationen. Energetische Optimierung, modernisierte Heizung, neue Fenster und Türen und Sorgfalt im Umgang mit Gas, Strom und Wasser, unterstützt von einem Energieberater.

Ergebnisse:

3. Empfehlung: Vegane Ernährung + Ernährungsumstellung Hund

Meine Erfahrungen:

Mehr Obst, mehr Gemüse, dazu knapp zwei Liter Leitungswasser täglich. Fleisch ist gestrichen – es sei denn, ich habe bei der Jagd auf Wildschweine und Rehe im nahegelegenen städtischen Revier Diana, die Göttin der Jagd, auf meiner Seite… Wildfleisch ist fettarm, ökologisch zweifelsfrei und macht geschmacklich viel Freude.

 

Matthias Finkbeiner (TU Berlin) regte zudem an, den ökologisch belastenden Kaffee durch lokales Bier zu ersetzen … sozial ein kritisches Moment (ich bin zumindest morgens beim Kaffee geblieben).

Ergebnisse:

Meine Kompensationsflächen

Zwar lebe ich heute deutlich ökologischer als früher – doch Umweltprobleme verursache ich weiterhin. Auch eine bewusstere, nachhaltige Lebensweise ist ökologisch leider bei weitem nicht neutral.

 

Also braucht es wirksame Ausgleichsmaßnahmen, die vergangene wie zukünftige Umweltbelastungen wiedergutmachen (kompensieren). Dabei geht es, und das ist entscheidend, nicht nur um CO2 und andere „Klimagase“. Auch die anderen Wirkungskategorien wie Überdüngung und Versauerung müssen von den Maßnahmen erfasst werden – ihr Schaden für die Artenvielfalt unseres Planeten ist mindestens so groß wie der der Klimaerhitzung.

Meine Umweltprojekte dienen dazu, die „Habenseite“ meiner Ökobilanz aufzufüllen.

Für diesen Ausgleich habe ich mehrere Projekte ins Leben gerufen, die ökologischen Mehrwert (Naturwert) auf mehreren Ebenen schaffen. Sie sind das Gegenstück zur tiefroten „Soll-Seite“ meiner ökologischen Lebensbilanz und sorgen auch tatsächlich dafür, von mir emittiertes Kohlendioxid wieder zu binden oder die Beeinträchtigung von Lebensräumen durch meine Versauerung und Überdüngung auszugleichen, zum Beispiel durch die Wiederherstellung von Biotopen.

 

Kein leichtes Unterfangen – denn bislang hat dies wohl noch niemand mit wissenschaftlichem Anspruch versucht. Glücklicherweise aber fanden sich schnell engagierte und fachkundige Mitstreiter, die ähnliche Begeisterung für die Idee einbringen.

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